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Rechte Kaderschmiede: Ungarns patriotische Elite

Ein privates Institut in Budapest will eine neue „patriotische Generation“ fördern. Der ungarische Staat spendierte dazu ein Milliardenvermögen. Eingebunden in dessen Netzwerk ist auch die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Das Mathias-Corvinus-Collegium (MCC), so heißt es auf der Website der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), sei eine „einzigartige Wertegemeinschaft“, die sich „für wertvolle Ziele“ engagiere. Wie diese Ziele aussehen, schildert die Bildungseinrichtung ihrerseits im Netz: Vision des MCC ist es, „die nächste patriotische Generation vorzubereiten“.

Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste zeigen, wie sich der KAS-Partner um die Vernetzung mit Nationalisten auf der ganzen Welt bemüht. Zwar gibt sich das MCC als akademische Einrichtung, es ist aber weder Hochschule noch Universität. Es bietet Zusatzqualifikationen für rund 4000 Studierende an, veranstaltet politische Talk-Runden und verlegt Bücher.

„Die Ideologie, die dort gepflegt wird – sei es auch unter einem intellektuellen Deckmantel – ist radikal, ist nationalistisch und ist gefährlich für eine pluralistische, multiethnische Gesellschaft“, sagt die Konfliktforscherin Annika Brockschmidt, die ein Buch über die religiöse Rechte geschrieben hat.

Ein Sprecher des MCC bestreitet auf Anfrage, dass die Institution „rechtsextrem“ sei. Man sei partei- und ideologisch unabhängig. Zahlreiche Äußerungen und Veröffentlichungen aus dem Umfeld des Instituts sowie Geldflüsse nähren jedoch Zweifel an dieser Unabhängigkeit.

„Nein zur Massenmigration“

Der deutsche Politikwissenschaftler Werner Patzelt, seit dem vergangenen Jahr Gastdozent am MCC, behauptet gegenüber Kontraste: „Von der Sache her ist es so, dass ein großer Teil der am MCC Tätigen mit Fidesz sympathisiert oder Fidesz angehört.“

Belegbar ist, dass unter den Verantwortlichen des MCC ranghohe Akteure der ungarischen Regierungspartei sind. Auf Lebenszeit ernannter Vorsitzender der Trägerstiftung ist Balázs Orbán, der als politischer Direktor dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán (nicht verwandt) direkt unterstellt ist.

Wo Balázs Orbán steht, verdeutlichte er auf der „National Conservatism Conference“ (NatCon) Ende März in Brüssel, wo das MCC als Sponsor auftrat: „Wir sagen 'Nein' zur Massenmigration und wir halten an der Verpflichtung fest, unsere Grenzen zu verteidigen“, verkündete er. „Wir werden unsere Kinder durch ein Referendum vor der LGBTQ-Propaganda schützen, die bereits die Kindergärten und Grundschulen einiger westlicher Gesellschaften erobert hat.“

Eine solche „Eroberung“ gibt es nicht, trotzdem erntete die Behauptung in Brüssel Beifall. Für das Umfeld der NatCon fungiere Viktor Orbáns Ungarn als „Blaupause“, sagt Brockschmidt. Traumvorstellung der Nationalkonservativen sei „ein christlich-nationalistisch geprägter oder ein ethno-nationalistischer Staat, autoritär regiert, wo rechte Christen in allen Bereichen der Gesellschaft eine Vormachtstellung inne haben“.

Undurchsichtige Stiftungskonstruktion

Brockschmidt hält das MCC für ein Projekt der ungarischen Regierung. Darauf deuten auch gigantische Vermögenswerte hin, die der Staat 2020 per Parlamentsbeschluss an die MCC-Stiftung verschob, darunter zehn Prozent der Anteile am Ölkonzern MOL und dem Pharmariesen Gedeon Richter. Insgesamt spendierte die Regierung dem MCC umgerechnet rund 1,4 Milliarden Euro.

Die EU-Kommission kritisierte diese Verschiebung von Staatsvermögen in einen privaten Trust in ihrem jüngsten Bericht über die Rechtsstaatlichkeit als intransparent. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley, fordert die sinngemäße Sprengung des Systems Orbán. „Das MCC ist eine Bildungseinrichtung, und Bildung muss von ideologischer Indoktrinierung freigehalten werden“, so Barley gegenüber Kontraste. Damit Wissenschaft und Lehre unabhängig sein könnten, müsse das MCC seine Stiftungsstruktur aufgeben.

Friedrich Merz auf Ungarisch

Die Zusammenarbeit mit ausländischen, vor allem deutschen Partnern sei Teil der Legitimationsstrategie von Viktor Orbán, sagt Barley. Man müsse darauf achten, dieses Spiel nicht mitzuspielen.

Zu seiner eigenen Aufwertung bedient sich das MCC sogar des Namens Friedrich Merz: Das Buch des CDU-Vorsitzenden „Neue Zeit. Neue Verantwortung.“ erschien Anfang 2022 im MCC-Hausverlag auf Ungarisch. Es ist die bislang einzige Ausgabe in einer anderen Sprache.

Im Angebot des MCC-Verlags steht Merz nun zwischen rechtsradikalen Autoren wie David Engels, der dort – ebenfalls übersetzt – über einen „Sturm auf die Parlamente“ nachdenkt. Auch die ungarische Ausgabe von „Finis Germania“ des umstrittenen Historikers Rolf Peter Sieferle („Hat man nicht gar die 'Auschwitzlüge' als eine Art Gotteslästerung mit Strafe bedroht?“) machte der MCC-Hausverlag möglich.

Merz ist dies offenbar egal. Fragen von Kontraste dazu – etwa, ob er die Veröffentlichung seines Buches in einem solchen Umfeld für angemessen halte – wollte der CDU-Vorsitzende nicht beantworten.

Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung

Die Parteienstiftung KAS betrachtet das MCC als einen Partner. Mehrmals pro Jahr organisiert ihr Auslandsbüro gemeinsame Veranstaltungen mit dem Institut – zuletzt im Februar, als der Fidesz-Politiker und Staatsminister Gergely Gulyás das Narrativ einer deutschen Einheitspresse bemühte. „In der deutschen Presse gibt es keine Vielfalt“, behauptete Gulyás in seiner Rede.

KAS-Büroleiter Michael Winzer saß im Publikum und schaute dabei zu. „Dem Eindruck, dass bei unseren Veranstaltungen Fidesz-Propaganda verbreitet wird, muss ich entschieden entgegentreten“, sagt Winzer gegenüber Kontraste. Seine Rechtfertigung: Die KAS sei bloß ein Veranstalter von vielen gewesen. Dabei war der Termin selbst auf der KAS-Website nur als Kooperation mit dem MCC angekündigt worden.

Dem MCC hilft der intensive Kontakt zu der CDU-nahen Stiftung unter anderem dabei, Gastdozenten aus Deutschland zu gewinnen, wie der Fall Werner Patzelt zeigt. Der emeritierte Professor, selbst CDU-Mitglied, erzählt, er sei erst über die KAS in Kontakt mit dem MCC gekommen.

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